Wenn es etwas gibt, das mich schon immer begeistert hat, dann waren das Menschen, die genau wussten, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten. Eine meiner besten Freundinnen wusste bereits in der Grundschule, dass sie einmal Krankenschwester werden würde. Und genau so ist es auch gekommen.
Wahrscheinlich sind aber nur die Wenigsten so zielstrebig. Auch ich war mir schon mal sicher: Das ist es jetzt! Aber dann war es ganz plötzlich wieder anders. Und ich musste von vorn beginnen. Einige der Grundfragen des Lebens, mit denen sich jeder irgendwann herumschlagen muss: “Wie möchte ich mein Leben verbringen? Was möchte ich erreichen?” sind nicht leicht zu beantworten.
Ob diese Fragen jemals vollständig beantwortet werden können, ob es normal ist wenn sie sich plötzlich wieder unbeantwortet anfühlen, kann jeder nur für sich entscheiden.
Weißt du schon, wohin die Reise geht?
“Wer einem Stern folgt, kehrt nicht um.” Leonardo da Vinci
Umso seltsamer ist es, wenn der Grundstein für diese Fragen bereits so früh in unserem Leben gelegt wird. In einer Zeit, in welcher es unser größtes Problem ist, welches Top am besten zu der hellen Jeans passt oder ob wir am Wochenende feiern gehen dürfen.
Im Nachhinein betrachtet erscheint es mir schon fast fahrlässig, dass meine Eltern mir so viel Freiheit ließen. Was wenn ich plötzlich entschieden hätte, ich würde am liebsten Schauspielerin werden? Natürlich wäre das kein schlechter Beruf – nur meine Fähigkeiten lassen hier stark zu wünschen übrig.
Kann man wirklich wissen, was man will oder noch wichtiger: was gut für einen ist?
Um ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht einmal jetzt sicher.
Und wenn man immer noch auf der Suche ist – wie kann man es herausfinden? Die Logik sagt uns, dass es doch so etwas wie Anhaltspunkte geben muss.
Wohin bringen uns unsere Vorlieben?
Bill Burnett und Dave Evans erzählen in ihrem Buch “Designing your Life” die Geschichte von Ellen. Seit ihrer Kindheit liebt sie das Sammeln, Sortieren und Kategorisieren von Steinen. Als es so weit ist, eine Studienrichtung zu wählen, entscheidet sich Ellen (verständlicherweise) für Geologie.
Nach ihrem Studium hält sie sich jedoch mit Baby- bzw. Hundesitting über Wasser. Ellen ist verzweifelt, weil sie erst jetzt weiß, dass sie nicht im Bereich der Geologie arbeiten möchte. Dabei unterliegt sie jedoch – wie die Autoren schreiben – einer dysfunktionalen Überzeugung. Denn drei Viertel aller Absolventen machen nicht Karriere im Bereich ihres Studiums.
Oft verlassen wir uns bei der Auswahl einer Studienrichtung auf Vorlieben und Talente. Oder noch schlimmer – auf das, was andere für unsere Talente halten. Was im Eifer des Gefechts immer gerne außer Acht gelassen wird: Was ist, wenn sich Vorlieben ändern?
Wir sind alle irgendwie verloren
Das hört sich im ersten Moment vielleicht schlimmer an, als es ist. Aber vielleicht wäre es dennoch besser derart wichtige Entscheidungen auf Basis anderer Faktoren zu fällen. Sonst geht es einem vielleicht wie Ellen und man stellt mit Mitte 30 fest, dass man doch nicht so von Steinen angetan ist.
Spätestens dann ist man gezwungen, wieder von vorne anzufangen und fühlt sich in seinem eigenen Leben verloren.Vielleicht geht es im Leben eben auch darum immer verloren zu sein. Gerade deshalb werden wir auch nie unseren Weg finden oder unsere “wahre” Bestimmung.
Maybe there’s no direction, no right path, no fate, no destiny. Maybe we simply choose to be where we are and make that mean what it means to us in the moment. Jamie Varon
Es gibt nur dieses Jetzt, das wir selber mit Bestimmung füllen können – oder eben nicht. Was auf den ersten Blick recht zynisch klingt, hat noch eine tiefere Bedeutung. Nämlich dass dieses verloren sein auch bedeutet zu leben. Gerade deshalb ist es sinnlos sich zu beklagen.
„Für das Leben lernen wir…“
Wenn wir auf unsere Schulbildung zurückblicken, sind wir mehr als einmal davon überzeugt, dass wir Dinge umsonst gelernt haben. Dabei fallen uns vielleicht die auswendig gelernten Herleitungen für mathematische Formeln oder die unzähligen Jahreszahlen ein, welche wir einmal gelernt und sofort wieder vergessen haben.
Einer meiner Professoren hat mich in dem Zusammenhang einmal sehr konsequent zurechtgewiesen: Nämlich dass man nichts im Leben umsonst lernt, nur erkennen tut man das vielleicht nicht gleich.In gewisser Weise hatte er recht, denn wir werden nie vollends verstehen, welcher Teil des Gelernten uns wie automatisch bei der Lösung eines anderen Problems hilft.
Meine schulische Laufbahn ist auch nach den bisherigen Stationen und meinem jetzigen Studium nicht abgeschlossen. Ich habe nicht das Gefühl irgendwo angekommen zu sein.
Auch wenn mir das in meinem Umfeld nicht leicht über die Lippen kommt. Ich fühle mich kritisch beäugt – die ewige Studentin – obwohl ich eigentlich alles bisher in einem Lauf durchgezogen habe, ohne die Studienzeit zu strapazieren.
Es geht mir auch nicht darum ewig weiterzustudieren. Ich möchte nur nicht aufhören mich zu entwickeln.
Lebenslanges Lernen als einziger Ausweg?
Und ich bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Denn wer die aktuelle Lage im Auge hat und auch noch sinnvoll darauf reagieren möchte, wird erkennen, dass es nicht viele Alternativen gibt. Unsere Eltern entstammen einer Generation der fixen Jobs und einer (halbwegs) soliden Absicherung.
Leider haben wir heute mit anderen Umständen zu kämpfen. Wenn ich meinen Kontostand betrachte, wird mir klar, dass es ein erbitterter Kampf ist, sich auch nur einen kleinen Teil auf die Seite zu legen. Vor allem wenn man in einer eigenen Wohnung lebt (und nicht bis Anfang 30 Zuhause bei Mama und Papa wohnen möchte).
Das eigene Haus bzw. die Wohnung scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Natürlich geht es dabei nicht immer nur ums Geld. Es geht auch um Weiterbildung und Veränderungsmöglichkeiten im Job – einfach generell um Freiheit.
Design your Job
In “Designing your life” geht es vor allem darum sich selber nicht in einen Job hinein zu passen – sondern einen Job nach seinen eigenen Vorstellungen zu kreieren.
Oft fehlt es nur an kreativen Ideen und einer zielstrebigen Durchführung. Auch innerhalb der straffsten Unternehmenskultur gibt es oft die Möglichkeit für kleine aber ausschlaggebende Änderungen. Und wenn es nur der Arbeitsort oder der Aufgabenbereich ist.
Für die Zukunft wäre es auch wünschenswert, dass nicht eine bestimmte Ausbildung oder Erfahrung am wichtigsten ist, sondern Eigenschaften der Person. Die Bereitschaft bzw. das Interesse sich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen, sollte meiner Meinung nach viel mehr Ausschlag geben.
Was benötigen wir um lebenslang lernen zu können?
Maehr nennt in seinem Artikel “Changing the schools” einige Charakteristiken, welche für das Lernen im Allgemeinen wichtig sind. Stellt man sich selber die Aufgabe immer wieder etwas Neues lernen zu wollen und motiviert zu bleiben, können diese mit Sicherheit auch hilfreich sein.
Intrinsische Motivation:
Intrinsisch bedeutet, dass es aus dir selber kommen muss. Du lernst ohne direkten Anreiz und Belohnung. Also etwas das für eine lebenslange Lernfähigkeit sowieso Vorausetzung ist.
Natürlich werden sich die Mühen der ständigen Weiterentwicklung irgendwann im Leben auch lohnen. Das UNESCO Institute for Lifelong Learning zeigt in dieser Studie Vorteile für Gesundheit und Wohlbefinden auf, resultierend aus dem ALE (Adult Learning and Education).
Zeit-Management
Wer keine Kontrolle über seine Pläne und Pflichten hat, wird sich auch schwer tun weiter zu kommen. Deshalb ist es unerlässlich, sich die Zeit einzuteilen.
Höchstwahrscheinlich wird sie nicht endlos zur Verfügung sein. Jeder hat heute mehr zu erledigen. Es geht hier vor allem darum seine Effizienz beim Arbeiten zu erhöhen, Tätigkeiten zu planen und zu organisieren.
Lernen durch Teamwork
Nicht umsonst heißt es ja “Kein Mensch ist eine Insel”. Natürlich kann man es wahrscheinlich auch alleine schaffen. Oft ist es aber so, dass man sich einiges hätte sparen können, wenn man nur um Hilfe gebeten hätte.
Wir lernen vor allem durch die Interaktion mit anderen, in einer Umwelt, in der wir uns akzeptiert und wertgeschätzt fühlen. Dabei ist es auch wichtig seine “Social Skills” weiterzubilden. Was viele nicht wissen: An vielen Unis gibt es in diesem Bereich zusätzlich Kurse.
Zielsetzen und Selbstmanagement
Ohne Ziele hat man es schwer irgendwo anzukommen. Die Kunst sich gut Ziele zu setzen ist dabei gar nicht so leicht zu erlernen. Viel zu oft setzen wir uns Ziele, die wir niemals erreichen können.
Klar geht es so mit unserer Motivation in den Keller. Deshalb ist es besser klein anzufangen. Zuerst jeden Tag eine Viertelstunde zu lernen, dann eine halbe Stunde, usw.
Ganz nach dem Prinzip der Minihabits von Stephen Guise.
Ein Beispiel wäre auch das sogenannte “selbstgesteuerte Lernen”.
Die Forschung zeigt, dass SDL positiv mit einigen interessanten Konstrukten zusammenhängt. So z. B. akademische Leistung, Aspiration, Kreativität, Neugier und sogar Lebenszufriedenheit. (Edmondson, Boyer, & Artis, 2012)
Conclusion
Die Dinge sind immer leichter – wenn man sie im Nachhinein betrachtet. Deshalb ist es nicht weiter schlimm, wenn wir selbst im fortgeschrittenen Alter noch nicht wirklich wissen, was wir mit unserem Leben anstellen sollen.
Es erscheint mir mehr eine sich ständig wiederholende Aufgabe zu sein. Unsere Vorlieben ändern sich, genau wie unsere Jobs.
Wichtig ist es sich nicht vor der Entwicklung zu verschließen. Sondern offenzubleiben, für neues Wissen und neue Aufgaben. Zwar noch nicht angekommen, aber auf dem Weg zu sein – unabhängig davon, ob wir überhaupt jemals ankommen können.
Das einzig Dauerhafte im Leben ist Veränderung. Buddha
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